the legal column...

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Samstag, 30. April 2011

§ 434 BGB - Sachmangel

Benevole lector,

ich lebe fleischfrei. Also, ich esse kein Fleisch und bin vollwertiger Vegetarier. Vollwertig deshalb, weil ich mich auch beruflich mit dem fleischlosen Verzehr beschäftige. Ich bin Unternehmer. Fleischloser Unternehmer. Ich verkaufe vegetarische Lebensmittel und vegetarische Gerichte – to go, um einem der zahllosen Trends zu folgen, die in dieser Begriffskombination keine sind, weil „Trend“ eigentlich „einer Sache hinterherlaufend“ impliziert, es aber eine Vielzahl von Sachen und Befindlichkeiten gibt, denen man hinterher laufen könnte. Demnach ist „Trend“ allgegenwärtig und eine Bewegung in welche Richtung auch immer, schnell oder langsam, wäre unnötig.

Wie dem auch sei, ich wollte letztes Wochenende einen ovo-vegetarischen Obstkuchen backen. Ovo deshalb, weil ich dazu Eier von lebenden Hühnern verwenden wollte, was eingefleischte [sic] Vegetarier zum Naserümpfen bringt, denn auch Produkte von Tieren stehen dort auf der Liste der unter Umständen abzulehnenden Verzehrerzeugnisse. Zu diesem Behufe hatte ich Eier von tatsächlich freilaufenden Hühnern bei meinem bevorzugten Bio-Bauern, der seine Hühner mit Namen anspricht, bestellt und bekam sie erwartungs- und ordnungsgemäß innerhalb der üblichen Frist geliefert.

Als ich nun im Zuge meiner Vorbereitungen zur Zubereitung des Kuchens feststellte, dass eines der Eier kein Ei mehr war, sondern ein goldgelbes Küken, war ich einigermaßen überrascht. Hatte ich doch bisher nie Anlass zur Reklamation meiner gelieferten Ware gehabt. Leider stellte ich weiterhin fest, dass ich weder den Lieferanten erreichen konnte, es war Samstagnachmittag, noch ein anderes Lebensmittelgeschäft mir hätte Ersatz liefern können, da es zudem noch weit nach 14 Uhr war. Eine Zeit, in der im Einzelhandel einer kleinen Dorfgemeinde niemand mehr arbeitet, sondern sich der Wagen- oder Vorgartenpflege widmet.

In Ermangelung eines Ersatzeis blieb mir nur die Möglichkeit, das Küken wie ein Ei zu behandeln und es wie im Rezept beschrieben, zu verwerten. Da es goldgelb war, fiel es auch farblich nicht auf; ich fügte lediglich eine kleine Menge Wasser hinzu, um die cremige Konsistenz des Teiges nicht durch die Trockenheit der Federn zu gefährden. Wie geplant, stellte ich den fertigen Kuchen in meiner Verkaufsvitrine am Sonntag zur Kaffeezeit aus und erfreute mich der regen Nachfrage meiner Kunden.

Am frühen Montagabend der neu angebrochenen Woche, gerade als ich versuchte, einen milchfreien Grießbrei zu kreieren, besuchte mich einer der Kunden, der tags zuvor bereits Kuchen gekauft hatte. Meine Freude darüber, dass es ihm offenkundig geschmeckt hatte, da er mein Geschäft erneut aufsuchte, war jedoch schnell dahin, als er mit lauten und nicht netten Worten eine Beschwerde vortrug. Er hätte in seinem Kuchen eine fleischähnliche Masse vorgefunden, sagte er. Ich konnte ihm dies anhand meiner Produktbeschriftung „ovo-vegetarisch“ widerlegen und versicherte ihm, dass ich nur Produkte von Bio-Herstellern mit exzellenter Reputation verwende. Leider ließ er sich von meinen Ausführungen nicht überzeugen und forderte seelischen und materiellen Schadensersatz nach § 823, Abs. 1 BGB, insbesondere auch deshalb, weil ihm durch die fleischhaltige Einlage eine vegetarische Füllung analogen Volumens vorenthalten worden wäre.

Um den Schaden für mich zu minimieren, möchte ich jetzt meinen Lieferanten nach § 437 BGB in die Pflicht nehmen und im Sinne des § 441 BGB den Kaufpreis mindern, weil ein Rücktritt vom Vertrag lt. § 323 BGB nicht in Frage kommt, da ich die Eier ja bereits verarbeitet habe. Mein Problem liegt jedoch bei § 434 BGB - Sachmangel. Meiner Ansicht nach hatte das besagte Ei, welches sich als Küken ausgab, eindeutig einen Sachmangel, d.h. es fehlte ihm die vereinbarte Beschaffenheit. Leider weiß ich nicht, ob das Küken bei Gefahrübergang, in diesem Falle beim Verlassen des Bio-Bauernhofes, bereits vorhanden war, oder ob sich das Ei auf dem Transportweg oder gar erst in meiner Küche transformiert hatte.

Weiterhin habe ich ein Problem mit der Beweislast nach § 363 BGB, weil ich das transformierte Ei verwertet habe und mir somit das Corpus Delicti fehlt. Ich könnte jedoch meinen Noch-Kunden bitten, mir Rudimente des fleischhaltigen Eis, vulgo seine Ausscheidungen, zu Beweiszwecken zu überlassen. Wäre ihm sicherlich auch als Beweismittel für eine mögliche Schadensersatzklage zuträglich.

In diesem Sinne, ipso iure!

(c) Daniela Röcker 2011
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