the legal column...

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Freitag, 25. März 2011

Arbeitsvertrag

Benevole lector,

seit ca. 10 Jahren bin ich Arbeitnehmer im Sinne des § 611 BGB und darüber sehr glücklich. Mein Arbeitgeber ist nett zu mir, zahlt mir ein regelmäßiges Gehalt und bietet mir betriebliche Sonderleistungen, wie z.B. einen kostenlosen halbjährlichen Gesundheitscheck, der normalerweise nicht von der Krankenkasse gezahlt wird. Ich möchte nicht protzen, aber meine langjährige Tätigkeit sicherte mir einen gewissen Status, so dass ich heute sagen kann „ich hab’s geschafft“ – meine beiden Töchter besuchen die örtliche Waldorfschule, ich bin Vorstandsmitglied im Schützenverein und engagiere mich ehrenamtlich in der Bürgerinitiative „Unser Dorf soll schöner werden“.
Meiner Frau konnte ich eine 8-jährige Ausbildung zur Yogalehrerin in Indien bei Yogi Sivananda Svami, die, nebenbei bemerkt, schweineteuer war, bezahlen. Heute unterhält meine Frau im Souterrain unseres Eigenheims eine Yogaschule mit angeschlossenem Heilerde-Verkauf.  Unser wunderschönes Häuschen liegt nur ca. 5 km von meiner Arbeitsstelle entfernt, in erhöhter Lage am Fuße eines Weinbergs. Wir genießen täglich die herrliche Aussicht auf das Reaktorgebäude und die umliegende Landschaft.

Meine tägliche Arbeit ist sehr angenehm und körperlich nicht anstrengend, Überstunden werden natürlich bezahlt. Selbstverständlich habe ich meinem Arbeitgeber gemäß § 1 meines Arbeitsvertrages zugesichert, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu vertreten und meine ganze Arbeitskraft ausschließlich der Firma zu widmen. Aus diesem Grunde habe ich beim Bau unseres Häuschens keinen Handschlag getan und verzichte auch sonst auf jegliche Tätigkeit im Haushalt. Die Interessen meines Arbeitgebers vertrete ich jederzeit und konnte dies wieder bei der letzten Demonstration der Atomkraftgegner in unserem Dorf unter Beweis stellen. Mit dem Kassenwart unseres Schützenvereins habe ich einigen lauthals brüllenden Demonstranten Leukoplast auf den Mund geklebt und zwei der Demonstranten, die renitent mit Plakaten wedelten, gepackt und in die Scheune von Bauer Bräuchle gesperrt. Leider konnten die beiden am nächsten Morgen entkommen, als meine Töchter dort ihre Eurythmie-Stunde vorbereiten wollten.

In meinem Arbeitsvertrag steht auch, unter § 4 Direktionsrecht, dass mein Arbeitgeber mich bei Vorliegen betrieblicher Bedürfnisse in andere Arbeitsbereiche versetzen darf. Nun sind in den letzten drei Monaten drei ukrainische Leiharbeiterkolonnen ausgefallen, so dass mich mein Arbeitgeber freundlicherweise für die verantwortungsvolle Wartungsarbeit am Reaktorkern einsetzte. In der Vergangenheit konnte ich meinen Arbeitgeber bereits von meiner sorgfältigen und verantwortungsvollen Arbeitsweise überzeugen, daher war ich sogar ein wenig stolz für diesen außerplanmäßigen Einsatz, der außerdem mit einer Sondergratifikation belohnt wurde.

Seit meinem letzten Gesundheitscheck vor vier Tagen habe ich jedoch ein Problem: in meinem Körper wurden erhöhte Strahlenwerte festgestellt. Ich schwöre, ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte, denn nichts liegt mir ferner, als Eigentum meines Arbeitgebers zu entwenden. Ich habe sogar verweigert, zertifizierte und genehmigte Proben aus dem Reaktorkern an ein Öko-Prüfinstitut herauszugeben, weil ich mich damit der Wegnahme von Firmeneigentum strafbar gemacht hätte – Sie erinnern sich vielleicht an den Fall, in dem eine Mitarbeiterin zwei Maultaschen aus dem Eigentum ihres Arbeitgebers widerrechtlich gegessen hat. Eine solche Verletzung meines Arbeitsauftrages wäre mir unmöglich gewesen. Und nun das! Wenn ich das Kündigungsschutzgesetz richtig interpretiere, könnte mir mein Arbeitgeber wegen Diebstahls sogar fristlos kündigen! Ich brauche dringend rechtlichen Rat, wie ich diese überhöhte Strahlung ohne die Gefahr, gekündigt zu werden, unbeschadet wieder zurückgeben kann – meine Frau wünscht sich ein 6-wöchiges-Klangschalenseminar  zum Geburtstag und einer dieser Demonstranten hat mich verklagt, weil ich ihn mit meinem Luftgewehr in den rechten Fuß geschossen habe.

In diesem Sinne, ipso iure!

(c) Daniela Röcker 2011
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