the legal column...

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Donnerstag, 30. Juni 2011

Aktiengesetz - AktG

Benevole lector,

„Ich studiere Betriebswirtschaft im 6. Semester und das Studium macht mir großen Spaß.“ Diese Aussage war bis vor kurzem die offizielle Version für meine Eltern, denn sie hatten mir das Studium mit einem Darlehen finanziert. Zuerst wollten sie mir einen monatlichen Betrag zahlen, ich konnte ihnen jedoch erfolgreich vermitteln, dass eine einmalige Zahlung ökonomischer sei. Diese Vereinbarung besiegelten wir ordnungsgemäß mit einem Darlehensvertrag nach § 488 BGB und stießen danach mit Prosecco auf meine zukünftige Karriere in der Wirtschaft an. Meine Mutter verdrückte ein paar Tränen und verkündete gerührt, dass ich mir um Zinsen und Rückzahlung keine Gedanken machen solle, es bliebe ja schließlich alles in der Familie.

Frohen Mutes und motiviert stürzte ich mich in den folgenden Wochen in die Vorbereitungen fürs Studium. Sorgte für einen Basisbestand an Fachliteratur, die ich aus zweiter Hand günstig erstand, handelte einen guten Rabatt im örtlichen Elektronikfachgeschäft für ein neues Laptop aus, gab einen nicht unerheblichen Betrag für Businesskleidung aus und besichtigte das Studentenwohnheim nahe des Campus. Da sich die Wohnbedingungen dort in keinster Weise mit meinen Vorstellungen an eine studiumadäquate Unterkunft deckten, wurde ich erneut bei meinen Eltern vorstellig und erbat eine Aufstockung der Darlehenssumme für eine angemessene Bleibe, was sie mir, nachdem ich ein spektakulär tränenreiches und dramatisches Szenario dargeboten hatte, unverzüglich zusagten.

Nun ist das Leben nicht immer planbar und so stellte ich nach der ersten Vorlesung fest, dass das theoretische Wirtschaften nicht meine Sache ist und verlegte meinen Schwerpunkt in die Praxis. Ich gründete mit meiner Eltern Darlehen eine eigene Firma in einer Marktnische – dem Fußnagelpiercing. Tolle Sache, weil die Fußnägel permanent wachsen und daher immer wieder neu gepierct werden können. Ich konnte mit dieser Idee und einem durchdachten Marketingkonzept einen veritablen Kundenstamm aufbauen und meine kleine Firma wuchs. Der Betrag auf meinem Konto auch. In der Zwischenzeit hatte ich meinen späteren Ex-Freund, ein Ex-BWL-Student, kennengelernt. Er hatte es bis zum zweiten Semester durchgehalten, jedoch nur, weil er während der Vorlesungen mitschrieb und diese Aufzeichnungen als wissenschaftliche Hausarbeiten über eBay meistbietend versteigerte. Er qualifizierte sich bei mir mit der grandiosen Idee, dass parallel zum Piercing das Angebot einer Fußmassage den Umsatz exorbitant steigern könnte. Die Personalkosten für seine Person als Masseur würde sich innerhalb kürzester Zeit in einem respektablen Return of Investment niederschlagen.

Er behielt Recht und wir zogen in repräsentativere Räumlichkeiten. Leider hatten wir den Mietzins und den Preis für Massageöl unterschätzt, daher stand bald die Frage nach einer Kapitalerhöhung im Raum. Die Antwort war für uns Ökonomen jedoch einfach: wir gründeten eine Aktiengesellschaft mit zwei Gesellschaftern. Als Vorstand oblag uns beiden die Leitung nach § 76 AktG. Ich schrieb mir zwar drei Nächte die manikürten Finger an dieser dämlichen Satzung wund, dafür machte aber die Gestaltung der Aktienpapiere großen Spaß. Wir gaben ausschließlich Stammaktien aus, da mein Freund meinte, eine Firmenphilosophie der Demokratie würde sich positiv bei den Aktionären auswirken.

Zu diesem Zeitpunkt wussten meine Eltern bereits, dass ich mein Studium nicht mehr verfolgte, informierten mich jedoch nicht über ihr Wissen. Sie hatten, vermutlich weil ich mich über einen längeren Zeitraum nicht gemeldet hatte, aus Fürsorge mehrere Care-Pakete an meine alte Adresse geschickt, welche mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ retour kamen. Daraufhin stellten sie ohne mein Einverständnis Nachforschungen nach meinem Verbleib an. Als sie mir einen Mahnbescheid zur Rückzahlung des Darlehens zustellen ließen, verbunden mit dem haltlosen Vorwurf des Vertrauensmissbrauchs, beschloss ich, die Zusammenarbeit mit ihnen aufzukündigen.

Dabei wäre es auch geblieben, hätte ich die kriminelle Energie meiner Eltern nicht unterschätzt. Zuerst war ich noch gerührt, als sie 10 % unserer Aktien kauften, ich hielt es für ein familiäres Friedensangebot. Doch sie setzten zusätzlich Strohmänner ein, die weitere Aktien erwarben, was ihr Paket auf 49% der Emissionen ansteigen ließ. Auch das brachte mich noch nicht aus der Ruhe, denn mein Freund und ich hielten immer noch die Mehrheit von 51%. Doch dann holten sie zum finalen Schlag aus und boten ihm ein lebenslanges Domizil am Strand von Daytona Beach inklusive Harley-Davidson nebst bikinitragender, blonder Sozia an.

Mein Freund übertrug umgehend sein komplettes Paket an Inhaberaktien an meine Eltern und verabschiedete sich nach Florida. Ich erwog kurzzeitig eine Klage gegen ihn nach § 62 AktG auf Haftung beim Empfang verbotener Leistungen, verwarf den Gedanken jedoch, weil ich keinen Motorradführerschein besitze.  Jedoch reduzierte ich umgehend seine Bezüge  um 80 %, da seine geschäftliche Leistung nach § 84 AktG nicht mehr zu rechtfertigen war, außerdem war der Preis für Massageöl um 0,3 % gestiegen.

Meine Eltern drohen nun mit einer feindlichen Übernahme meines Unternehmens, wenn ich das Darlehen nicht zurück zahle. Darf man so seine Kinder behandeln? Ich erwäge, meine Anteile meiner Großmutter zu übertragen und in ein weniger kapitalistisches Land auszuwandern.

In diesem Sinne, ipso iure!



(c) Daniela Röcker 2011
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